Vor einigen Tagen bin ich über einen spannenden Artikel des WDR gestolpert. Unter dem Titel „Von Bloggern und Büchern“ beschreibt der Journalist Christoph Ohrem den Wandel des Verlagswesens und wie sich dieses immer weiter in die digitale Welt vortastet. Besonders spannend dabei: Verlage beginnen mit Bloggern zusammenzuarbeiten. Eine Annäherung an einen Artikel.
Oh je, in Ohrems Artikel wird ein ziemlich großer Haufen von Problemen betrachtet und am Rande wahrgenommen. Da ist zum Beispiel wieder einmal die strickte Unterscheidung zwischen Journalist und Blogger. Man könnte hier darauf hinweisen, dass der Begriff „Journalist“ keine geschützte Berufsbezeichnung ist und im Grunde nur jemanden beschreibt, der über ein Medium ein Publikum erreicht. Oder wie es der Duden so schön definiert:
„jemand, der als freier Mitarbeiter, als Auslandskorrespondent oder Mitglied einer Redaktion Artikel o. Ä. für Zeitungen oder andere Medien verfasst bzw. redigiert oder der als Fotograf Bildberichte liefert“
Die Frage wieso Blogger also nicht als Journalisten gelten ist vermutlich fast so alt wie das Internet selbst und wird innerhalb des Artikels mehr oder weniger ignoriert. Vielleicht zum einen, weil man zu diesem Thema eine ganze Artikelreihe schreiben könnte, oder zum anderen, weil es so viel schöner ist eine klare Linie zwischen Journalisten (aka. jemandem der für eine etablierte Redaktion schreibt) und Bloggern (aka. jemand der für eine nicht etablierte Onlineredaktion schreibt) zu ziehen.
Ich weiß, dass diese Verkürzung eine – nun ja – Verkürzung darstellt und der Diskurs, dass zu einer Redaktion ein Redakteur gehört, der eine Ausbildung absolviert hat, und, dass es durchaus mehr Unterschiede zwischen Journalisten und Bloggern gibt, diesen Artikel vollkommen sprengen würde.
Stattdessen wenden wir uns dem Text des WDRs wieder zu, der sich tatsächlich fragt, weshalb Verläge so lange nicht mit Bloggern zusammengearbeitet haben und gerade begonnen haben vermehrt mit ihnen zusammenzuarbeiten.
Ein Blick in die Vergangenheit
Tatsächlich war es noch vor wenigen Jahren bei allen Verlagen üblich Blogger und viele Mitarbeiter von Onlineredaktionen beflissentlich zu ignorieren. Schließlich würde sich dieses neue Medium – dieses Internet – nicht durchsetzen.
Schließlich wurde es doch immer größer und man konnte es nicht mehr ignorieren. Verlagshäuser begannen damit Internetseiten zu erstellen, auf denen zunächst mehr oder weniger keine Informationen standen und zumindest Onlineredaktionen großer Verlagshäuser Rezensionsexemplare zur Verfügung zu stellen. Schließlich arbeiteten auch dort Journalisten, die eine ordentlich große Leserschaft erreichten.
Gingen ab und zu Anfragen von Bloggern ein, so wurden sie weiterhin ignoriert, denn warum sollte man jemandem ein Buch geben, damit er eine Rezension dazu verfassen kann, wenn diese Person das Buch auch selber kauft und kostenlos Werbung dafür macht. Zudem konnte sich niemand vorstellen, dass mehr als nur eine handvoll von Freunden einen privaten Blog wirklich lesen würden.
Der Rückgang des Feuilleton als Siegeszug der Blogger
Doch die Medienwelt ist im Wandel. Immer mehr etablierte Redaktionen von Printmedien werden minimiert, zusammengelegt oder ganz geschlossen. Ganze Ressorts verschwinden, weil nicht mehr genug Gelder vorhanden sind. Die Leser wandern ab ins Internet und bekommen dort ihre Informationen schneller und günstiger. Die Frage nach der Qualität bleibt dabei immer häufiger auf der Strecke.
Den Kampf gegen Quoten, Aufruf- und Verkaufszahlen können Medienhäuser dabei gar nicht gewinnen. Agenturen wollen immer mehr Reichweite, die einfach nicht erreichbar ist. Um die Verluste einzudämmen werden die Artikel gestrichen, die die wenigste Aufmerksamkeit generieren und darunter fallen leider immer wieder Texte aus dem Bereich Kultur. Die Schlagzeile, dass irgendein Promi irgendetwas gemacht hat, wird eben viel öfter angeklickt, als eine gute Buchbesprechnung.
Ein Rückgang, den langsam auch Buchverlage zu spüren bekommen. Die Rezensionen sind zurückgegangen, Fernsehdiskussionsrunden zu Büchern verschwinden und dadurch auch die Bekanntheit von Büchern. Hätte ich sehr viel Zeit würde ich mich gerne einmal durch Zeitungsarchive kämpfen und untersuchen, um wie viel Prozent diese Quote gesunken ist. Leider habe ich dies nicht getan und kann mich nur auf Beobachtungen verlassen. [Und nein liebe Journalisten, ich bin nicht nur faul und ungenau, weil ich ein Blogger bin, Onlinejournalisten, die schnell, schnell eine Geschichte veröffentlichen müssen, checken auch nicht unbedingt solche Fakten, weil es eben Zeit kostet und der Leser den Mehrwert einer einzigen Zahl nicht genug zu schätzen weiß.]
Dieser Rückgang sorgt nun dafür, dass Verlage sich den häufig beschmunzelten und lange ignorierten Bloggern zuwenden. Denn scheinbar gibt es mittlerweile Menschen da draußen, die einigermaßen sinnvoll über Bücher schreiben können, ohne einem Verlag anzugehören, der Rezensionen immer weiter streicht, und vor allem gerne positiv über Bücher berichten.
Zurück zu Herrn Ohrem
Herr Ohrem, der etablierter Journalist des WDR ist und irgendwie seine Texte auf seinem eigenem Blog zweitverwertet [Weiß der WDR eigentlich, dass duplicated Content die Hölle für SEO-Optimierung ist, oder ist es ihm einfach egal?] scheint, obwohl er zumindest den Versuch wagt positiv über Buchblogger zu berichten, nicht so ganz von den Fähigkeiten der Blogger überzeugt zu sein. Besonders der Punkt, an dem Blogger eher positiv, als negativ über Bücher berichten, scheint ihm zu missfallen:
„Generell zeichnen sich Buchblogs dazu auch durch ihre persönliche Note, die subjektive Meinung aus. Zugespitzt ausgedrückt: Fans schreiben über ihre Idole. Der kritische, literarische Diskurs bleibt häufig auf der Strecke. […] Diese Tendenz [positiv über Literatur zu berichten] lässt sich sicherlich auch damit erklären, dass die Buchblogger für ihre Arbeit in der Regel nicht entlohnt werden. Warum also ein Buch, das einen ärgert, zuende lesen und dann auch noch eine Kritik darüber schreiben?“ (Ohrem)
Was an dieser Stelle vielleicht ignoriert wird, ist die Tatsache, dass auch viele freie Journalisten nicht jedes Buch anfordern und zu Ende lesen. Gerade wenn schnell viele Artikel geschrieben werden müssen, quält man sich nicht unbedingt mit jedem langweiligen Buch herum, sondern wählt vielleicht auch die Romane aus, die einen wirklich interessieren. Man könnte beinahe behaupten, dass dies menschliches Verhalten ist, aber nun gut, Blogger berichten einfach zu positiv, da sie eben kleine Fanmädchen sind, die Bücher „als Lifestyle-Accessoire behandel[n]“ (Ohrem).
Die Realität dahinter ist dabei eigentlich viel Simpler: Verlage vergeben an Buchblogger nur sehr weniger Bücher. Da fragt man sich natürlich, ob man, wenn man eventuell zwei Bücher zugesprochen bekommt, sich für zwei Bücher meldet, die man wirklich gerne lesen möchte, oder sich ebenfalls für Bücher meldet, die man eventuell gar nicht lesen möchte, nun aber lesen muss um beim Verlag niemanden zu verärgern und die Chance zu verspielen das nächste Mal die Bücher zu bekommen, die man wirklich lesen möchte.
Klar, haben hier etablierte Medien einen Vorteil. Rufe ich bei einem Verlag an und melde mich mit dem Namen meines Arbeitgebers, bekomme ich direkt zehn bis zwanzig Exemplare eines Buchs zugeschickt. Melde ich mich als Blogger bekomme ich eventuell ein Buch. Dabei weiß ich genau, dass ich als Blogger das Buch komplett rezensieren muss um positiv aufzufallen, während ich als etablierter-Verlags-Mitarbeiter nur einmal auf das Buch verweisen muss, um den jeweiligen Verlag glücklich zu machen.
Ist dieses Verteilungssystem gerecht Mr. Zweitverwertungsblogger-Ohrem? Nein, ist es nicht, und wird es auch so schnell nicht werden. Denn noch sehen die meisten Verlage, Journalisten und sonstigen Mitarbeiter aus etablierten Medienhäusern Blogger als Menschen mit einem skurrilen Hobby. Menschen dessen Anfragen und Reichweiten man lange Zeit ignorieren konnte und die nun, da weniger Zeitungen über Bücher berichten, ein spannender Verbreitungskanal werden.
Einige Verlage gehen mit positiven Beispiel voran
Um einmal kurz verschiedene Verlage in Schutz zu nehmen – schließlich bemerken nicht alle Publizierungshäuser jetzt erst, dass es so etwas wie Blogger gibt – würde ich gerne darauf hinweisen, dass es natürlich schon lange Zeit einige Verlagshäuser gibt, die eng mit Bloggern zusammenarbeiten und deren Wirkung durchaus bewusst sind.
Vorreiterrollen haben hier viele Indie-Verlage, die sich über jede Aufmerksamkeit freuen und denen bewusst ist, dass ihre Exemplare in jedem Fall von Bloggern besprochen werden, auch wenn sie vielleicht von etablierten Zeitungen ignoriert werden [oder es in Ermangelung von Platz einfach nicht in de Feuilleton-Teil schaffen].
Auch Penguin Books hat einen schönen Bloggerbereich für Young Adult-Literatur. In Deutschland gibt es schon länger das Blogger Portal von Random House, Bertelsmann und Co., welches sich bemüht nicht nur Journalisten, sondern auch Blogger mit Literatur zu versorgen.
Ein schönes Beispiel wie die Kooperation mit Verlagen aussehen kann, stammt von der jungen Bloggerin Alexandra, die auf ihrem Blog twirlingpages.com über Romane schreibt und die aufgrund ihres jungen Alters keinen wirklichen Platz im Bereich der etablierten Medien hat. Noch nicht.