Seit der ersten Veröffentlichung von Janes Austens Stolz und Vorurteil sind gut 200 Jahre vergangen. Gefühlt gibt es mindestens genauso viele Adaptionen von Austens Klassiker. Egal ob als Film, Comic, Theaterstück, Buch, Musical, Hörspiel oder Bildband. Dabei orientieren sich einige Werke näher am Original (die BBC-Serie von 1995, der Film von 2005
) und einige interpretieren den Roman auf ihre Art (Bridget Jones
oder auch Pride and Prejudice and Zombies
).
Bei der Wiederauflage des Hörspiels des Hessischen Rundfunks von 1959 unter Regie von Ulrich Lauterbach wurde versucht den knapp 300 Seiten langen Roman in ein circa einstündiges Kopfkino zu verwandeln. Die Schwierigkeit bestand dabei auch darin möglichst nah am eigentlichen Text zu bleiben und möglichst wenig Handlung zu verlieren.
Aber bevor ich weiter über die Qualität des Hörspiels erzähle, bekommt ihr zunächst eine kleine Zusammenfassung der Handlung falls ihr den Roman nicht gelesen habt:
Stolz und Vorurteil erzählt die Geschichte der Familie Bennet, die Anfang des 19. Jh. in England lebt. Wie in so vielen Familien zu dieser Zeit liegt die wichtigste Aufgabe der Mutter darin ihre Töchter zu verheiraten. Was gerade dadurch verkompliziert wird, dass die Familie nicht gerade wohlhabend ist und fünf Töchter und keine Söhne besitzt. Die einzige Hoffnung, die Mrs. Bennet besitzt ist, dass sich ein wohlhabender Mann in eine ihrer Töchter verliebt, da sie alle recht schön und gebildet sind.
Und so kommt es, dass Mr. Bingley, ein sehr wohlhabender Herr, in die Gegend zieht und Mrs. Bennet ihre Chance sieht ihn mit ihrer ältesten Tochter Jane zu verheiraten. Gleichzeitig bringt Mr. Bingley einen Freund von sich mit in sein Haus: Mr. Darcy, der noch wohlhabender ist als sein Freund und ebenfalls unverheiratet ist. Doch während Mr. Bingley schnell das Herz Janes erobert ist Mr. Darcy hochmütig und eckt immer wieder mit der zweitältesten Tochter – Elizabeth Bennet – an.
Was den Roman vor allem anderen auszeichnet, sind seine wirklich starken Dialoge und die noch stärkere Protagonistin Elizabeth. Sie möchte nicht einfach nur verheiratet werden, sondern – typisch für Romane dieser Zeit – hofft darauf sich zu verlieben und glücklich zu werden. Ganz zum Unwollen ihrer Mutter lehnt sie immer wieder Heiratsanträge ab und Begibt sich immer wieder in hitzige Diskussionen mit Männern in ihrer Umgebung.
Zurück zum Hörspiel
Die Hörspielfassung schafft es sehr präzise die Handlung des Romans einzufangen und vermittelt mit wenigen Hilfsmitteln – leichte Untermalung von Musik – eine recht eindeutige Stimmung. Die wichtigsten Punkte der Geschichte werden aufgegriffen und in sehr treffende Dialoge verwandelt. Dabei wird Kürze vor allem dadurch erlangt, dass auf Beschreibungen von Figuren, Orten und Handlungen verzichtet wird. Kurz und gut handelt es sich um eine sehr gelungene Aneinanderreihung von Romandialogen, die in sich schlüssig die Kernszenen verbinden.
Zwar gibt es einen Erzähler, doch dieser greift nur selten ein um zu erklären wohin die Handlung gesprungen ist. Auch ohne ihn wird recht schnell klar, was gerade passiert. Läuft Musik im Hintergrund befinden sich die Figuren meist auf einem Ball. Wird vorgelesen, so hat eine der Personen gerade einen Brief erhalten.
Durch dieses Stilmittel wirkt das Hörspiel leicht und kann gut zur Entspannung gehört werden. Besonders die Stimme von Mr. Darcy ist gut ausgewählt. Günther Dockerill gelingt es die vielen Fassetten der Figur zu beleben und mit wenigen Änderungen seiner Stimme die komplette Stimmung einer Szene abzuwandeln.
Einziges Manko dieser Fassung ist die Stimme von Elizabeth Bennet, gesprochen von Margot Trooger, die viel, viel, viel zu unterwürfig klingt. Selbst in hitzigen Diskussionen vermittelt ihre Stimme den Eindruck, als bereue sie, was sie gerade gesagt hat. Ihr fehlt eine gewisse Selbstsicherheit, die in dieser Hörspielfassung fast schon eher von der Sprecherin von Jane, der eher schüchterten Schwester, ausgeht. Somit wirkt die Protagonistin, wenn man die Buchvorlage nicht kennt, sehr viel jünger und unsicherer, als sie wirklich ist.
Vermutlich ist dies jedoch jammern auf hohem Niveau, denn nichtsdestotrotz handelt es sich um ein sehr gutes Hörspiel, welches mittlerweile zu einem der Klassiker der deutschen Hörspielgeschichte gehört. Die Stimmung wird gut vermittelt und es wird klar, unter welchem Druck Töchter und Mütter zu jener Zeit standen.
Das Hörspiel ist sehr empfehlenswert als Hintergrundlektüre für ein entspanntes Bad – wenn man Angst hat das Buch in die Badewanne fallen zu lassen – oder zum entspannend, träumen und dahinschmelzen an einem regnerischen Herbsttag.
Basisdaten: Stolz und Vorurteil, erschienen am 8.9.2015 im Hörverlag (Randomhouse)
Das Hörspiel wurde mir vom Bloggerportal von Bertelsmann zur Verfügung gestellt.