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Blogger, die Piraten des Journalismus‘

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Ich dachte, dass ich mein Halbwissen über die Blogwelt, die ich nun schon seit fast sieben Jahre bewohne, endlich durch wissenschaftliche Abhandlungen und fundiertes Wissen untermauern sollte. Zumindest wollte ich dies tun, bis ich auf die Herren Arnold Picot (ausgezeichneter Ökonom) und Tim Fischer (Ökonom?) gestoßen bin. In ihrer Abhandlung „Weblogs professionell: Grundlagen, Konzepte und Praxis im unternehmerischen Umfeld“, welche zugegebenermaßen von 2005 ist, diskutieren sie was eigentlich diese Blogs sind, die seit 1999 überall auftauchen und welche Folgen sie – unter anderem – für den Journalismus haben könnten.

Schnell wird klar, dass die beiden das Phänomen beinahe genauso betrachten, wie auch heutige Journalisten: sie sehen zunächst eine Gefährdung der alten Medien. Da kommen einfach irgendwelche Menschen daher und schreiben über alle möglichen Themen. Noch schlimmer, sie versuchen teilweise sogar seriös über diverse Themen zu berichten. Gerade nach den Vorfällen am 11. September traten diese sonderbaren Ereignisse immer wieder auf.

Nachdem sich 2004 ein Bloggerboom ereignete, der besonders durch Blogspot und WordPress beschleunigt wurde, begannen die Herren also das ganze seltsame Chaos etwas seriöser zu betrachten. Und damit sind wir wieder zurück bei ihrer Arbeit, die beispielsweise folgenden Vergleich anstellt:

„Aus der Unzufriedenheit mit der klassischen Medienkommunikation unter globalen Kommunikationsbedingungen ist gewissermaßen >>von unten<< das Bedürfnis nach einer Gegenöffentlichkeit entstanden – vergleichbar mit der Bewegung der Piraten- und freien Radios oder Alternativpresse in den 1970er-Jahren."

– A. Picot und T. Fischer: Weblogs, 2005

Die Unzufriedenheit über die steife Medienlandschaft, die den Anschluss an die modernen Medien noch immer nicht vollkommen geschafft hat und gerade im bei etablierten Mediengrößen im Internet kläglich versagt (da überall die gleichen dpa-Nachrichten angezeigt werden) kann ich durchaus nachvollziehen. Die vollkommen legalen Blogs der heutigen Zeit mit den illegalen Aktionen der Piratenradios oder den zum Teil illegalen Erzeugnissen der Alternativpresse (underground press) zu vergleichen finde ich hingegen etwas fragwürdig. Ach, was heißt hier etwas: sogar sehr!

Gerade wenn man heutige Diskussionen über die Einschränkungen des Internets betrachtet frage ich mich einmal wieder ob Blogs wirklich ein solch großer Dorn im Auge von Journalisten und Regierungen sind. In China, wo Blogger gegen die Regierung kämpfen, indem sie ihre Meinungs- und Pressefreiheit im Internet ausleben, könnte ich einen solchen Vergleich irgendwo verstehen. Aber hier?

Klar, sie sagen nicht, dass es das gleiche ist, dennoch kann man dem Ton des Buches entnehmen, dass sie Blogs eher für ein semi-seriöses Geschäft halten, welches – einmal wieder – die bestehenden Medien gefährdet…

Wer die heutige Entwicklung kennt, dem ist klar, dass sich Blogs mittlerweile in drei Richtungen bewegt haben. Zum einen wären da die anerkannten Blogs, die von ausgebildeten Journalisten betrieben und zum Teil sogar von großen Medienhäusern gefördert werden.

Die zweite Stufen stellen die etablierten Blogs da. Sie erreichen eine hohe Reichweite, verdienen Geld mit ihrem Blog und werden in geringem Rahmen von Medienhäusern gefördert. Die letzte Stufe stellen die unprofessionellen Privatblogs da. Eben jene Blogs, die wunderbar gleichgültig im Netz schwimmen. Auf einem solchen bewegt ihr euch gerade (ö_ö).

Die Welt des Internets könnte so friedlich sein, wenn es nicht die zweite Gruppe von Bloggern geben würde. Jene unausgebildeten Individuen, die sich mit Fleiß, eigenen Ausgaben und sehr viel Zeit ihren Weg an die Spitze gebahnt haben. Im Bereich der Modeblogs haben sie beispielsweise eigenständig ihre Reisen zu Modeshows bezahlt, sind durch die Gegend gereist und haben versucht eine eigenen Stimme zu den Haute-Couture-lastigen Modemedien zu finden. Irgendwann vielen sie damit einem Leser auf, dann weiter und bald einer ganzen Horde. Und schwupps nahm ein Verlag sie unter ihre Fittiche und schickte sie zu Modeshows. Viel schlimmer jedoch vielen sie auch anderen auf und plötzlich erhielten sie Anfragen von diversen Firmen, die sie zu Events einluden.

Und schon hatten sie den Zorn der etablierten Journalisten auf sich gezogen. Wie konnten sie es wagen sich in den neuen Medien geschickter zu bewegen? Wie konnten sie es wagen eine Meinung zu haben? Wie konnten sie es einfach wagen ihren Job zu machen – und das ziemlich unterbezahlt? Dieses Phänomen lässt sich natürlich auch in anderen Bloggenres entdecken.

Immer wieder, wenn ich auf die Diskussion Journalisten vs. Blogger, muss ich bei diesem Thema lachen. Natürlich sind Blogger häufig keine studierten Journalisten, die sich jahrelang durch unbezahlte Praktika und schlecht bezahlte Volontariate gequält haben. Aber warum sollte man Blogger deshalb ausstoßen, fürchten oder gar abwertend behandeln. Freut euch über die neue Generation von Schreiberlingen, die hoffentlich dafür sorgen, dass der Journalismus sich weiterentwickelt. Vielleicht sind sie noch kleine Piraten, aber wer weiß schon, was in 20 Jahren sein wird? Heute ist es vollkommen normal, dass wilde Popmusik im Radio gespielt wird. Eine Entwicklung, die zunächst recht abwertend betrachtet wurde…