Hundert Stunden Nacht: Hurricane Sandy trift auf Fänger im Roggen [Buchrezension]

Stell dir vor dein Vater wird über Nacht zur Berühmtheit, weil herauskommt, dass er, Schulleiter, eine Affaire mit einer seiner Schülerinnen hat. Wie würdest du dich verhalten? Für Emilia kommt nur eine Reaktion in Frage: Sie muss weg. So weit weg wie eben nötig. Also schnappt sie sich die Kreditkarte ihres Vaters und macht sich auf den Weg nach New York.

Hundert Stunden Nacht überzeugt nicht nur durch sein sehr hübsches Buchcover.

Was es mit dem Hygienegel und den Kerzen auf sich hat erfahrt ihr in Hundert Stunden Nacht

Hundert Stunden Nacht der niederländischen Autorin Anna Woltz beschäftigt sich in großen Teilen mit der Frage welche Auswirkungen das Internet auf Jugendliche hat und wie sie damit umgehen, wenn sie plötzlich ohne jenes auskommen müssen. Gleichzeitig verwendet der Roman eine Sprache und Metaphorik, die stark an Der Fänger im Roggen erinnert, was auch der Thematik eines Jugendlichen, der vor seinen Problemen flüchtet, geschuldet sein dürfte.

Der Roman beginnt mit Emila, die beschließt sich alleine auf den Weg nach New York zu machen. Und bis sie dort ankommt, scheint ihre Flucht sehr gut geplant zu sein. Bis sie vor dem Apartment, welches sie vermeintlich gebucht hat, steht und feststellt, dass sie einem Schwindler zum Opfer gefallen ist. Zumindest sind die Jugendlichen Seth und seine kleine Schwester Abby bereit Emila Unterschlupf zu gewähren, denn Hurricane Sandy ist bereits kurz vor New York angekommen.

Der größte Teil des Roman beschreibt nun die Zeit in New York während des großen Stromausfalls und welche Auswirkungen, abgesehen von nicht mehr funktionierenden Beleuchtungen, dieser mit sich brachte. Dabei muss Emila sich über sich selbst und ihre Beziehung zu ihren Eltern klar werden, während sie von einem Ozean und einer nicht funktionierenden Internetverbindung getrennt werden.

Sensible Geschichte über das Erwachsen werden

Hundert Stunden Nacht ist allem voran eine Geschichte über das Erwachsen werden. Woltz fragt was passiert, wenn man Eltern plötzlich nicht mehr nur als „Eltern“ wahrnimmt, sondern auch als Menschen. Sie thematisiert die Auswirkungen von Twitter und Co auf unsere Kommunikation und wie schnell aus Gerüchten „Tatsachen“ werden können, wenn sie nur oft genug wiederholt werden.

Aber es geht auch um Emila, Abby, Seth und Jim, vier Jugendliche, die in der Not zu Freunden werden, und die durch das plötzliche Wegbrechen des medialen Dauerrauschens, dazu gezwungen werden sich mit sich selbst und ihrer jeweiligen Zukunft auseinanderzusetzen. Beginnend bei der Einsicht, dass die Kindheit bald vorbei ist und der „Ernst des Lebens“ auf jeden Wartet.

Besonders schön ist hierbei, dass Woltz ihrer Protagonistin zwar eine gewisse kindliche Naivität mitgibt, sie dennoch wie eine Erwachsene behandelt, deren Sorgen und Ängste genauso tiefgehend und genauso berechtigt sind. Dies macht einen großen Teil von Hundert Stunden Nacht aus, denn es wird nicht eine Kinder- oder Jugendgeschichte erzählt sondern eine, in der sich jeder Mensch auf mindestens einer Ebene wiederfinden kann.

Ergänzt wird die Erzählung zusätzlich mit einem fast schon schwarzen Humor und einer großen Menge spitzer Bemerkungen, die dafür sorgen, dass man immer wieder während des Lesens laut loslachen muss.

Hundert Stunden Nacht | Anna Woltz | 2016 | Carlsen | ★★★★☆ | Bei Amazon kaufen


Dieses Buch wurde mir als Rezensionsexemplar von Carlsen zur Verfügung gestellt.

4 Gedanken zu “Hundert Stunden Nacht: Hurricane Sandy trift auf Fänger im Roggen [Buchrezension]

  1. Noch immer so fleißig am Rezessionen schreiben :)
    das Buch hört sich spannend an. Schwarzer Humor hört sich vorallen nach meinen an.
    Wer weiß vielleicht find ich das Buch mal so im Laden, dann wird es natürlich sofort mitgenommen.

    Du hast es bestimmt schon mitbekommen, ich bin umgezogen ^^
    und hab mal geguckt, wen ich alles gegenseitig verlinkt hab und wer davon noch aktiv ist.
    Hab gesehen, dass du mich in der Link-Box auch dabei hast. Es wär cool, wenn du den Link aktualisieren könntest.

    Liebe Grüße,
    Akai

  2. Pingback: Eine Sammlung von Büchern: Ein Rückblick auf 2017 [SaSo] | Chochi in Wonderland

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