Hannes Wittmer, besser bekannt als Spaceman Spiff, verzaubert seit 2009 mit poetischen Texten und melancholischen Gitarren-Klängen. Nun wechselt er mit seiner Band Otago vom Singer-Songwriter zur experimentellen Indieband und vom Deutschen ins Englische. Der Versuch eine Rezension zu schreiben.
Ab hier hört dieser Text auf auch nur zu versuchen journalistisch zu sein. Musik ist ein Herzensthema von mir, dass genau deswegen so wenig von mir behandelt wird, weil ich selten Worte finde, die ausdrücken wie ich mich fühle, wenn ich Musik höre. Ich kann nicht ohne sie. Gute Musik ist wie Luft zum Atmen. Punkt.
Und gerade die Alben von Spaceman Spiff gehören seit Jahren mit zu meinen festen Begleitern. Sie laufen irgendwo im Hintergrund, werden lauthals mitgesungen und von mir immer wieder in den Raum geworfen, wenn Menschen behaupten, dass es keine gute Deutsche Musik mehr gibt.
Dabei zeigt Hannes Wittmer besonders schön wie facettenreich die Deutsche Sprache klingen kann. Wie viel Wortwitz in kleinen Silben liegen kann und wie man mit winzigen Bemerkungen ganze Geschichten erzählen kann. Immer unterlegt mit wunderbarer Gitarrenmusik oder minimalistischen Instrumenten, die den Text tragen ohne ihn übertrumpfen zu müssen. Nachdem es seit 2015 eher still um Wittmer geworden ist, kann man sich vorstellen wie sehr ich mich freute, als der Mairisch Verlag ankündigte, dass ein neues Album erscheinen würde. Zwar mit neuer Band und in einer anderen Sprache, aber immerhin ein neues Album.
Wortspiele funktionieren in der eigenen Sprache einfach besser
Und dann hielt ich endlich das Album Otago, was genauso heißt wie die Band dahinter, in der Hand und hörte es zum ersten Mal. Dann zum zweiten Mal. Beim dritten Mal stellte sich bei mir langsam das Gefühl ein, dass sich bei mir kein Gefühl einstellen würde. Mit Wörtern elegant zu spielen funktioniert nun einmal in der eigenen Sprache sehr viel besser als in einer, in der man fremd ist.
i go too slow when i walk
i’m way too fast when i run
i get so cold in the night
but i’m always hot in the sun
– Otago – A silent Smile
Mit Wörtern wird auf diesem Album sehr wenig gespielt. Wenn dann eher mit Phrasen, die man in amerikanischen Liedern immer und immer wieder gehört hat, die neu zusammengewürfelt und kombiniert wurden. „I’ll be honest if you let me but if you need me to lie I’ll try“ aus Battles ist mit Abstand die schönste Strophe des Albums, aber damit noch meilenweit von „schon das xte mal / die Hacken meiner roten Schuhe / dreimal zusammengeschlagen / und ich bin immer noch hier“ (Yellow Brick Road) entfernt.
Stattdessen gibt es immer wieder Wiederholungen der gleichen Worte, ein paar unschöne Reime und relativ kurze Texte, die relativ wenig sagen. Leider, den dass Hannes Wittmer wirklich gelungene Texte formulieren kann hat er bereits auf drei Alben bewiesen.
Vermutlich könnte ich über die seichten Lyrics hinwegsehen, wenn da nicht die sonderbar oberflächlichen Melodien wären, die zwar versuchen mit Instrumenten und Geräuschen zu spielen, sich dann jedoch in recht simplen Musikstücken verlieren, die man irgendwie schon mal gehört hat.
Die Stimme wird mit Echos und elektronischen Geräuschen unterlegt, die diese sonderbar flach wirken lässt. Auch scheint Otago bemüht zu sein möglichst glatt zu singen. Dabei sind es genau die Ecken und Kannten in Wittmers Stimme, die seine Musik bisher so spannend gemacht haben. Da werden Töne mal nicht perfekt getroffen oder etwas zu sehr hinausgepresst, aber eben weil sie mit Wut oder Fraglosigkeit untermalt sind. Weil er fragt was wird, wenn nichts mehr übrig ist und ob man dann einfach weitermachen kann. Seine Lieder funktionieren, da man ihm diese Emotionen abnimmt.
Otago hingegen wirkt von allen Emotionen befreit. Es geht viel mehr darum mit Musik zu experimentieren und zu gucken was passiert, wenn man nur Perkussions für eine Minute im Hintergrund hört, wie in A Silent Smile, die nur durch wenige Instrumente nach und nach ergänzt werden. Es geht darum wenig Text in viel Musik zu hüllen und über die Gitarre hinaus Lieder zu erschaffen. Und vor allem geht es darum sich von Spaceman Spiff zu trennen und etwas neues zu schaffen.
Anders als das Erwartete und damit schlechter?
Ist Otago im Vergleich zu gängiger Popmusik ein schlechtes Album? Nein, auf keinen Fall, dafür wagt es zu viel. Trotz allem versucht es mit Melodien und Instrumentzusammenstellungen zu spielen und etwas neues zu schaffen. Das komplette Album ruft laut: „Ich bin anders.“ Es ist anders als andere Deutsche Musik und anders als viele andere Indiebands. Otago ist aber auch anders als Spaceman Spiff. Es ist musikalisch etwas neues und auch textlich geht es in eine andere Richtung.
Komm ich mit diesem Album nicht zurecht, weil ich Spaceman Spiff in Englisch erwartet habe? Das mag auf einer Ebene stimmen, aber darüber hinaus finde ich auch keinen anderen Zugang zu dieser Musik. Sie berührt mich nicht und über alles andere hinaus müssen Lieder dies für mich leisten, damit ich sie wieder anhören möchte. Ja, auch die Alben von Spaceman Spiff sind schwer zugänglich, aber schon beim ersten hören nehmen sie einen mit auf eine emotionale Reise, die bei jedem hören tiefer geht. Dies schaft Otago leider nicht und auch wenn ich das Album sicherlich häufiger im Hintergrund laufen lassen werde, ist es doch keines, welches ich aktiv hören will, weil ich mitsingen / mitleiden / mithoffen will.
Otago | Otago | Mairisch | 2017 | Album bei Amazon kaufen
Dieses Album wurde mir von Mairisch zur Verfügung gestellt, es hat meine Meinung nicht beeinflusst.